An dieser Stelle möchte ich noch einmal an einem Punkt einhaken, den ich bereits in meinem letzten Artikel über mein Halbmarathon-Debüt angerissen habe und mit dem ich mich seitdem immer wieder gedanklich befasst habe, nämlich dem Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in den Starterfeldern von Langstreckenläufen.
Nachdem mir dies beim Airport Run so extrem aufgefallen ist, habe ich bei meinen letzten Läufen mal ein wenig darauf geachtet und festgestellt, dass zumindest bei den Läufen, bei denen ich gestartet bin, der Anteil der Läuferinnen sinkt, je länger die Strecke wird. Während auf den kürzeren Distanzen um die fünf Kilometer das Feld meist noch recht gut durchmischt ist, ist das Verhältnis Frauen:Männer auf den zehn Kilometern im Regelfall schon zwischen 1:2 und 1:3, auf der Halbmarathondistanz habe ich jetzt in zwei Fällen (einmal selbst gelaufen, einmal bei einem Rahmenlauf gestartet, aber auch auf die Halbmarathonliste geschaut) ein Verhältnis von 1:6 erlebt. Mit der kompletten Marathondistanz habe ich mich nicht befasst, da ich diese nicht laufe und somit nicht mitreden kann.
Wenn ich auf diese Zahlen gucke, stellt sich mir die Frage: Was kann der Grund dafür sein, dass sich so wenige Frauen an die „echten“ Langstrecken wagen? Immerhin gibt es genug Frauen, die laufen, das sehe ich immer wieder, wenn ich auf beliebten Strecken hier in meiner Heimatstadt trainiere. Was hält sie also davon ab, längere Strecken in Angriff zu nehmen?
Ist es ein Zeitproblem? Sind Frauen, insbesondere, wenn sie Familie haben, zu stark eingespannt, um genug Zeit für das Training zu finden? An der Stelle kann ich aus eigener Erfahrung sagen: So extrem zeitaufwändig ist es nicht. Klar, ich bin als Alleinstehende auch nicht so stark zeitlich gebunden wie eine Mutter mit Kindern, aber ich habe bei meinen Läufen auch schon genug Frauen kennen gelernt, die es eben doch schaffen, Familie und Sport unter einen Hut zu bekommen – und die größtenteils sogar in Sportvereinen oder Laufgruppen trainieren und somit an feste Zeiten gebunden sind! Ich wage daher hier mal, zu behaupten, dass der Zeitfaktor nicht in jedem Fall entscheidend dafür ist, dass eine Läuferin sich nicht an die Langstrecke wagt.
Ist es ein Problem des Bildes in der Gesellschaft? Langstreckenlauf gilt nicht als typisch weibliche Sportart. Ich selbst sehe mich immer wieder erstaunten Blicken ausgesetzt, wenn ich nur sage, dass meine Paradestrecke die zehn Kilometer sind. Männer wie Frauen reagieren erstaunt, einige Frauen sogar regelrecht schockiert, wenn sie das hören. Ich frage mich dann immer: Was ist so erstaunlich daran, dass eine Frau läuft? Eine Antwort finde ich, wenn ich mich umgucke, welche Sportarten als „typisch weiblich“ gelten. Hier finde ich tänzerische und gymnastische Sportarten, aber auch zum Beispiel der Besuch eines Fitnessstudios ist für eine Frau in den letzten Jahren gesellschaftsfähig geworden, jedoch immer mit einem Ziel: Am eigenen Körper zu arbeiten, abzunehmen, die Figur zu verbessern oder etwas für die Gesundheit zu tun, zum Beispiel durch gezieltes Training des Rückens. Und auch in einem Großteil der Sportarten selbst spielt die Optik eine Rolle: Insbesondere in allen Richtung Tanz oder Gymnastik gehenden Bereichen wird Körperspannung und auch eine gewisse Eleganz erwartet, nicht jedoch Kraft und Ausdauer, wie man sie auf der Langstrecke braucht.
Diese Aspekte kommen eher in den „typisch männlichen“ Sportarten zum Tragen. Ein Großteil der als „typisch männlich“ bekannten Sportarten erfordern Ausdauer, Kraft und Kondition. Oftmals gehört hier das Laufen auch schon zum regulären Trainingsspektrum, weshalb es beispielsweise auch für einen Fußballer möglich sein dürfte, ohne viel spezielles Training zumindest einen Zehn-Kilometer-Lauf zu absolvieren.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der auch wieder das Thema Optik aufgreift: EIn Großteil der „typisch weiblichen“ Sportarten findet hinter verschlossenen Türen statt, in Sporthallen, Tanzschulen oder Fitnessstudios, in denen vorzugsweise in einem eigenen Ladies-Bereich trainiert wird. Mit rotem Gesicht, verschwitzten Haaren vom Sport und der von vielen Frauen als unvorteilhaft empfundenen Sportkleidung mögen sich die wenigsten Frauen in der Öffentlichkeit zeigen. Aber genau das müssten sie beim Laufen: Rausgehen, sich der Öffentlichkeit so präsentieren, wie sie sind – ungeschminkt, verschwitzt, vielleicht auch erschöpft nach einer anstrengenden Trainingseinheit oder mit verbissenem Gesichtsausdruck, weil sie an ihre Grenzen gehen. Dinge, die nicht dem in der Gesellschaft verbreiteten Frauenbild entsprechen. Ist es vielleicht auch das, was viele abhält?
Oder liegt das Problem noch an einer anderen Stelle? Handelt es sich vielleicht schon um ein Problem der immer noch verbreiteten und oft von klein auf anerzogenen Geschlechterrollen? Langstreckenlauf erfordert Ehrgeiz, Entschlossenheit, Kampfgeist, Willensstärke, Durchhaltevermögen und auch eine gewisse Schmerzfreiheit sowie die Fähigkeit, sich selbst zu überwinden. Werte, die in der Erziehung von Jungen auch heute noch eine wesentlich größere Rolle spielen als in der Erziehung von Mädchen. Ich selbst kann von mir behaupten, dass ich nie wie ein „typisches Mädchen“ erzogen wurde, sondern es meinen Eltern sehr wichtig war, mir trotz allem diese Werte zu vermitteln, von denen ich eben gesprochen habe. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Läuferinnen Ähnliches von sich selbst behaupten, während viele Frauen, mit denen ich über das Laufen gesprochen habe, die aber selbst nicht laufen, gar nicht erst daran denken, es zu probieren, sondern sofort abwehren: „Oh Gott, das würde ich nie schaffen!“ Oder: „Für mich laufen – ja, aber bei einem Lauf mitmachen – das ist nichts für mich!“ Immer wieder erlebe ich auch, dass es als „unweiblich“ angesehen wird, sich im Wettkampf zu messen, schon von klein auf werden Mädchen dazu erzogen, Kompromisse zu schließen und nicht ihren Kopf durchzubringen. Genau das ist es aber, was man beim Laufen tun muss: An sich glauben, stur bleiben und in größeren Feldern ist auch eine gewisse körperliche Durchsetzungsfähigkeit gerade im Startgedränge oder in Pulks sehr nützlich. Diese Qualitäten kann man allerdings nur entwickeln, wenn man nicht von klein auf zu Kompromissfähigkeit, Zurückhaltung und Selbstbeherrschung erzogen wurde. Anders gesagt: Im Langstreckenlauf muss man auch mal dreist und draufgängerisch und vor allem auch verdammt stur (auch und gerade gegen sich selbst) sein können – auch wenn man natürlich immer fair bleiben sollte. Aspekte, die auch heute noch eher als „typisch männlich“ gelten und sicherlich viele Frauen davor zurückschrecken lassen, sich in dieser Sportart zu versuchen.
Was meint ihr? Was meinen Sie? Ich denke, zu diesme Thema gibt es durchaus unterschiedliche, sicherlich auch kontroverse Standpunkte. Einige werden mir vielleicht in einzelnen Punkten zustimmen, andere in allen, wieder andere werden aufschreien und sagen, so könne ich das nicht betrachten, da gäbe es ganz andere Gründe. Egal, welchen Standpunkt du jetzt hast, welchen Standpunkt Sie jetzt haben – alle sind herzlich eingeladen, in den Kommentaren ihre Sichtweise darzustellen und gern auch zu diskutieren. Hierbei möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass auch in einer gegebenenfalls kontroversen Diskussion bitte Respekt und Fairness imer an erster Stelle stehen sollten! Danke!
A thought-provoking story
Today I’d like to use this blog to tell you a story. A story of a friendship. A friendship between a young woman in the middle of her twenties and a young man in his early thirties. A friendship that is characterised by deep trust, by understanding each other even without words, by the mutual ability not only to laugh and joke around together, but also to be there for the other one in the most difficult times. The story of a friendship in which, of course, there are some quarrels from time to time, but that only gets out of every trouble even stronger than before. The story of two friends who infect each other with their passions, who look after and take care of each other, who immediately realise if there’s something wrong with the other one, and who even understand each other so well that there are some people around them who wonder if there really is only friendship between them!
But it’s also the story of two friends who, if walking around somewhere and no matter if they’re just joking with each other or having a conversation on something serious, have to experience that other people glance, look or even stare at them – and this happens much more often than the young woman is used to when walking around with other male friends. But what is the reason for that? Does it happen because the two are like day and night – her a rather small person of a slight build, dark-haired and light-skinned, him a tall guy having a large frame, blond and mostly tanned from regular holidays in Africa?
Or is it the fact that a sporty-looking young woman is walking side by side with a young man who clearly is physically disabled, meaning he walks in a different way than most people do? That she is joking around, talking, laughing and squabbling with him without showing any reserve? That she sometimes even gives him a friendly punch against his shoulder? And why to the people get out of her way while he – not being as agile as others because of his disability – has to take care not to be knocked over? why does she get to hear „sorry“ if people bump into her while he’s only angrily looked at? Why is it waved aside if she stands up from her seat in the tram or the bus to offer it to an elder or disabled person whereas his offers aren’t?
I could continue like that for hours because there still are so many examples coming to my mind. And the worst thing about this: I didn’t invent this story in my fantasy – it’s the story of my fellow and me. You wonder why I’m posting it in here? Well, that’s as easy as this: I just want to draw attention to the fact that we might be living in a time where everyone loves to use (or hide behind, depends on how you interprete it) words like „tolerance“, „acceptance“, „integration“ and „inclusion“ even though it seems that a lot of people don’t really get the meaning of these words. And I’d like to make everyone of you think about the question if maybe it made sense to use these words a little less, but live them a little more?